Häufig gestellte Fragen:

Trotz Fortschritten sind die Organspendezahlen in der Schweiz immer noch tief. Jährlich sterben mehrere dutzend Personen, da sie nicht rechtzeitig ein Organ erhalten. Je nach Organ beträgt die Wartezeit mehrere Monate, manchmal sogar Jahre. Im Jahr 2021 standen 1434 Personen auf der Warteliste, 72 Personen starben auf dieser Liste.

Um die Zahl der Organspenden zu erhöhen, hat der Bundesrat 2013 den Aktionsplan «Mehr Organe für Transplantationen» lanciert. In Zusammenarbeit mit den Kantonen wurde etwa die Ausbildung der Fachpersonen optimiert, wurden schweizweit einheitliche Richtlinien und Checklisten eingeführt und wurde die Information verstärkt. Damit konnte die Zahl der gespendeten Organe schrittweise erhöht werden.

Im Vergleich zu anderen westeuropäischen Ländern ist sie jedoch nach wie vor tief. Umfragen zeigen aber, dass eine Mehrheit der Schweizer Bevölkerung die Organspende grundsätzlich befürwortet. Bundesrat und Parlament wollen deshalb die Organspende anders regeln.

(Auszug aus den Erläuterungen des Bundesrates zur Abstimmung vom 15. Mai 2022, S.29)

Es wird eine positive Beeinflussung der Spenderate erwartet. Was man sich klar zum Ziel gesetzt hat, ist eine breite öffentliche Debatte zur Organspende anzukurbeln, wie wir das z. B. in Frankreich beobachten. In den meisten europäischen Ländern mit der Widerspruchslösung ist die Spenderate im Vergleich zur Schweiz höher.

Im Ernstfall resultiert bei 10 Angehörigengespräche heute:

  • In der Schweiz (Zustimmungslösung): 6-mal ein Nein, 4-mal ein Ja
  • In Frankreich (Widerspruchslösung): 2-mal ein Nein, 8-mal ein Ja

Die erweiterte Möglichkeit hat somit das Potenzial, das Spendevolumen zu verdoppeln. Generell sind die Spendezahlen in den westeuropäischen Ländern mit der Widerspruchslösung zwei- bis dreimal höher im Vergleich zum Spendeaufkommen in der Schweiz oder in Deutschland, wo zurzeit auch die erweiterte Zustimmungslösung gilt.

Hier geht es zum Gesetzestext, über welchen wir abstimmen.

Liegt kein Widerspruch vor, so werden die Angehörigen in jedem Falle angehört und können ihren Widerspruch einlegen, sofern das dem Willen des/der Verstorbenen entspricht. Wenn weder ein Widerspruch noch Angehörige auffindbar sind, so dürfen keine Organe entnommen werden. (Art. 8 Transplantationsgesetz)

Dem Parlament standen drei Varianten offen: Der Initiative zuzustimmen, die Initiative abzulehnen und beim Status quo bleiben oder einen Gegenvorschlag im Sinn eines Kompromisses zu finden. Das Parlament hat sich für den dritten Weg entschieden. Dass Handlungsbedarf besteht, war praktisch nicht bestritten. Die Fakten sprechen eine zu deutliche Sprache: Immer wieder versterben in der Schweiz Menschen, weil nicht in der nötigen Frist ein passendes Organ gefunden werden konnte. In der Kommission wurden umfangreiche Hearings durchgeführt, und die Mitglieder liessen sich über Vor- und Nachteile verschiedener Lösungen und die damit verbundenen rechtlichen und ethischen Aspekte informieren. Diskutiert wurden verschiedene Varianten. Für oder gegen die eine oder andere sprachen neben Aspekten der Ethik oder der Rolle der Angehörigen auch solche der Praktikabilität. Aus letzterem Grund lehnte der Nationalrat z.B. eine sogenannte «Erklärungsregelung» ab, wonach sämtliche in der Schweiz wohnhaften Personen eine Erklärung abzugeben hätten und diese in einem nationalen Register festgehalten werden sollte. Offen blieben die Fragen wie: Wer ist für die Erklärung zuständig? Wenn es die Hausärzte sind, wie erreicht man Gesunde, die selten zum Arzt gehen? Wer kontrolliert das? Wer bezahlt die Kosten von 160 Mio. jährlich (für Befragung alle drei Jahre)?, …

Um den Willen einfach, sicher und datenschutzkonform festzuhalten, wird der Bund ein neues Register schaffen. Darin kann sich jede Person eintragen, wenn sie eine Organspende nach dem Tod ablehnt. Es ist aber auch möglich, die Zustimmung festzuhalten oder die Zustimmung auf bestimmte Organe einzuschränken. Eine Person kann ihren Eintrag jederzeit ändern. (Auszug aus den Erläuterungen des Bundesrates zur Abstimmung vom 15. Mai 2022, S.29) Es gibt also wie beim Covid-Zertifikat eine staatliche Lösung. Swisstransplant behält ihre Rolle als Koordinatorin im Prozess der Organspende und der Transplantation.

Wie das Bundesgericht in BGE 98 Ia 508 und BGE123 I 112, E. 7b/aa festgehalten hat, ist die erweiterte Widerspruchslösung zulässig, sofern die Bevölkerung und die Angehörigen der Spender über die Möglichkeit der Verweigerung der Organ- und Gewebeentnahme informiert waren. Das Widerspruchsmodell wird auch aus verfassungsrechtlicher Sicht als prinzipiell zulässig erachtet.

Die erweiterte Widerspruchslösung und der erarbeitete Gesetzesentwurf ist verhältnismässig, da er (1) geeignet ist, die Organspenderate zu steigern und damit Leben zu retten. Wie aus zahlreichen Studien hervorgeht, besteht in der Schweiz eine tiefe Organspenderate, trotz Bemühungen des BAG mit einer guten Kampagne zur Steigerung der Organspenderate unter der Zustimmungslösung. Geeignet ist das neue Modell auch, da vertretbare Umfragen gezeigt haben, dass ein beachtenswerter Grossteil der Bevölkerung der Organspende gegenüber positiv eingestellt sind, aber ihren Willen nicht dokumentiert haben, was unter der geltenden Zustimmungslösung vorausgesetzt wird. Mit der Widerspruchslösung könnte dieses Problem umgangen werden.

Da wöchentlich Personen auf der Warteliste sterben und der Blick ins Ausland, wo bereits die erweiterte Widerspruchslösung gilt, zeigt, dass die Einführung der Widerspruchslösung zu einer Steigerung der Organspenderate führt, ist diese Massnahme auch erforderlich (2). Zudem wird mit der erweiterten Widerspruchslösung die Verhältnismässigkeit im engeren Sinne (3) akzeptiert, zumal alle Personen frei sind, Widerspruch gegen die Organspende zu erheben und es den Personen bei Vorliegen der entsprechenden Informationen zumutbar ist, Widerspruch gegen die Organentnahme zu erheben, sofern sie dies wünschen.

Die Widerspruchslösung liegt im öffentlichen Interesse, da dadurch erwartet wird, dass die Organspenderate steigt. Dies ist ein legitimes öffentliches Interesse. Die erweiterte Widerspruchslösung ist verhältnismässig und genügt den Anforderungen nach Art. 36 BV, wenn die Aufklärungs- und Informationspflichten berücksichtigt werden.

Quelle: Erläuternder Bericht zum indirekten Gegenvorschlag des Bundesrates zur Volksinitiative «Organspende födern – Leben retten» vom 13. September 2019.

Personen ab 16 Jahren können ihren Willen zur Spende wie bis anhin selbstständig festhalten. Bei unter 16-jährigen Personen entscheiden weiterhin die Eltern. Sie haben bei ihrem Entscheid jedoch die Meinung des Kindes zu berücksichtigen.

(Auszug aus den Erläuterungen des Bundesrates zur Abstimmung vom 15. Mai 2022, S.29)

Die Bevölkerung muss über den Wechsel zur Widerspruchslösung informiert sein. Deshalb schreibt das Gesetz eine umfassende und regelmässige Information über die neue Regelung vor. Die Information muss alle Bevölkerungsgruppen erreichen und so aufbereitet sein, dass sie auch für Menschen mit Behinderungen zugänglich und verständlich ist.

(Auszug aus den Erläuterungen des Bundesrates zur Abstimmung vom 15. Mai 2022, S.29)

Der Organspendeprozess sowie die medizinischen Voraussetzungen für eine Spende bleiben gleich wie heute:

  • Es können nur Personen ihre Organe spenden, die im Spital auf der Intensivstation sterben.
  • Der Tod muss von zwei Ärztinnen oder Ärzten eindeutig festgestellt worden sein.
  • Vor einer Organspende werden vorbereitende medizinische Massnahmen durchgeführt.

(Auszug aus den Erläuterungen des Bundesrates zur Abstimmung vom 15. Mai 2022, S.29)

Eine Organspende kann nur im Hirntod erfolgen. Zwei vom Spendeprozess unabhängige Ärztinnen oder Ärzte (Neurologie) stellen im 4-Augen-Prinzip die Hirntoddiagnose – nach streng definierten Kriterien der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW). Bei der Organentnahme wird in der Schweiz, wie bei allen Operationen, eine Anästhesie vorgenommen: Die Organentnahme erfolgt unter Narkose. Zwar sind das Hirn und der Hirnstamm komplett und unwiderruflich ausgefallen. Das gesamte Hirn ist nicht mehr durchblutet. Das Rückenmark, das Reflexe auslöst, funktioniert noch. Dies kann zu starken Reflexen und Kontraktionen führen bei einer/einem hirntoten Spender/in, was mit der Vollnarkose vermieden werden kann. Zudem funktioniert auch noch das vegetative Nervensystem. Dies bedeutet, dass bei starken Schmerzreizen am Körper der Blutdruck und der Puls ansteigt, obwohl die zentrale Wahrnehmung im Hirn nicht mehr stattfindet. Auch dieser Effekt kann mit der Vollnarkose vermieden werden.

Die Änderung des Transplantationsgesetzes ist ein indirekter Gegenvorschlag von Bundesrat und Parlament zur Volksinitiative «Organspende fördern – Leben retten». Diese verlangt ebenfalls die Einführung der Widerspruchslösung, regelt aber die Rolle der Angehörigen nicht. Sie wurde vom Initiativkomitee unter der Bedingung zurückgezogen, dass der Gegenvorschlag in Kraft tritt. Gegen diesen ist das Referendum zustande gekommen. Deshalb wird nun über die Änderung des Transplantationsgesetzes abgestimmt. Wird es angenommen, so setzt es der Bundesrat in Kraft und die Volksinitiative ist definitiv zurückgezogen. Wird das geänderte Transplantationsgesetz hingegen abgelehnt, so gelangt die Volksinitiative «Organspende fördern – Leben retten» zur Abstimmung, es sei denn, das Initiativkomitee zieht sie endgültig zurück.

(Auszug aus den Erläuterungen des Bundesrates zur Abstimmung vom 15. Mai 2022, S.30)